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Eine Welt an sich gibt es nicht; keine Wissenschaft, solang sie rein ist, vermißt sich zu sagen, was die Welt sei; – vermeint sie, es zu können, ist sie schon von Schakti koloriert.
Weil alle mögliche Dämonie der Welt uns innen ist, ist sie so außen, wie sie uns innen ist. Wir selbst sind die Unendlichkeit in unserer Tiefe, darin liegen Ironie und Hoheit unseres Daseins, – die Drohung seiner Hölle und die Verheißung des Himmels.
Heinrich Zimmer, Indische Spähren
RED MOON
Register des Unaussprechlichen
Gedankenanstöße für Deine Arbeit –
Fakten, Vermutungen, Interpretationen und Textbeispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder ernste Wissenschaft.
DREI FRAUEN
Schicksalsweberinnen, Zerstörerinnen, Mondgöttinnen
Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichnis!
Das Unzulängliche,
Hier wird’s Erreichnis;
Das Unbeschreibliche,
Hier ist’s getan;
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan!
Goethe, Faust II, Chorus Mysticus, 1831
DAS EWIG WEIBLICHE – MYSTERIUM DER (VER)WANDLUNG
(aus cis männlicher Sicht)
Ein einzelnes Individuum vergeht. Dessen Tod ist nichtig, gegenüber der gleichbleibenden Fülle, neu geborenen Lebens. Unsere Erde die stetig fruchtbare, gebärende und nährende Mutter, entbindet andauernd Leben. Schöpferin und Zerstörerin zugleich ist SIE. Jedes geborene Wesen kehrt sterbend in SIE zurück, sich wandelnd in erneutes Leben. Ihr gebärender Schoß ist zugleich ihr Tor zur Unterwelt, jenen Ort des Feuers, der Fäulnis und Verwesung. Ein stetig Opfer forderndes Maul.
und alle Herrlichkeit des Menschen
wie des Grases Blumen.
Das Gras ist verdorret
und die Blume abgefallen.
(1. Petrus 1:23 – 24 )
Auf der Schwelle erscheint Klytaimnestra, das Beil in der Hand. Im Inneren erblickt man die Wanne, das Tuch, den toten König und die Leiche der Seherin:
Hier schlug ich ihn. Hier steh ich, und ich leugne
Die Tat nicht ab. Und hört wie es geschah:
Ein faltig weit Gewand, fast wie ein Netz,
Werf ich ihm um – verhängnisvolles Prunkkleid –
Daß er den Schlag nicht entfliehn, noch wehren kann.
Dann treff ich zweimal ihn, und zweimal stöhnt er
Und streckt die Glieder. Wie er niederliegt,
Geb ich den dritten Schlag ihm noch.
So liegt er da und röchelt und bespritzt
Mit scharfem Blutsaum, den er von sich schnaubt,
Und dunkeln Schauern mich des roten Taus,
Nicht minder mir ersehnt, als linder Regen
Dem Saatfeld, wenn der Keim im Boden schwillt.
Vgl. Die Orestie des Aischylos, Agamemnon, Neunte Szene, Klytaimnestra, 458 v. Chr. Deutsch von Karl Vollmöller, S. Fischer Verlag, Berlin, 1911, S.57
Ehre deine Mutter Erde, auf dass deine Tage auf Erden lange währen. Die Mutter Erde ist in dir und du bist in ihr. Sie gebar dich, sie gibt dir das Leben. Sie war es, die dir deinen Körper gab, und Ihr wirst du ihn eines Tages zurückgeben. Glücklich wirst du sein, wenn du Sie kennenlernst und das Reich ihrer Pracht.
Wenn du die Engel deiner Mutter empfängst und nach ihren Gesetzen lebst, so wirst du nie Krankheit erleben. Denn die Kraft deiner Mutter Erde steht über allem. Sie bestimmt das Schicksal aller menschlichen Körper und aller lebendigen Wesen. Das Blut, das in uns fließt, stammt aus dem Blut unserer Mutter Erde. Ihr Blut fällt aus den Wolken, springt aus dem Schoß der Erde, sprudelt in den Bächen der Berge, ergießt sich in die Flüsse der Ebenen, schläft in den Seen und tobt mächtig im ungestümen Meer.
Text der Essener, Bayerl, Troitzsch, 1998, Quellentexte zur Geschichte der Umwelt von der Antike bis heute. Göttingen: Hansen-Schmidt, S. 41ff Zitiert in https://hypersoil.uni-muenster.de/0/02/01/06/08.html
Menschen mit Uterus (vulgo: Frauen) gebären, ernähren und verschlingen (in der Sexualität). Die Heiligkeit der Frau kommt von der Heiligkeit der Erde. Die weibliche Fruchtbarkeit hat ein Vorbild, die Fruchtbarkeit der Erde, der Allgebärerin. Jede menschliche Mutter reaktualisiert den Akt der Schöpfung – der Geburt des Lebens. So setzt der jahrtausende alte Mensch, die Frau gleich mit DER GROSSEN GÖTTIN, denn an ihr offenbahrt sich das Mysterium der Schöpfung. Und Schöpfung bedeutet Wandlung. Ein uraltes und bis heute aktuelles Mysterium existiert in seinem nie enden wollenden, sich selbst erneuernden Kreislauf fort.
Diese ewige Rückkehr zu den Quellen des Heiligen und Wirklichen, rettet […] rettet die menschliche Existenz vor dem Nichts und dem Tod. […] Die ihres religiösen Gehaltes entleerte Wiederholung führt jedoch notwendig zu einer pessimistischen Sicht der Existenz. Die zyklische Zeit, die nicht länger ein Weg zurück zu einer Situation des Anfangs, zur geheimnisvollen Gegenwart der Götter ist, die entsakralisierte zyklische Zeit, enthält einen schrecklichen Aspekt; sie wird zum Kreis der sich unentwegt um sich selbst dreht, sich ewig wiederholt.
(M. Eliade, 1952, Ewige Bilder und Sinnbilder )
(M.Eliade, 1957, Das Heilige und das Profane, Vom Wesen des Religiösen)
Scheinbar schutzlos ausgeliefert seinem ebarmungslosen Schicksal , dem Rad FORTUNAS oder gefangen im ewigen Lebensrad SAMSARA oder wie auch immer das Bild dafür genannt wird, beginnt Mensch einerseits Licht (Bewusstsein, Held, Gott) in das Dunkel (Unbewusstsein, Dämon, Göttin) zu tragen. Andererseits entsteht daraus die erbarmungslose Unterdrückung der Frau. Aus Göttinnen werden Götter; aus Elfen, Feen, Sirenen, weisen Frauen werden Hexen, aus lustvoller Liebe wird Prostitution. Die Mythe entstellt und sinnentleert. Ihr Kreis jetzt ein Pfeil. Liebe, Leid, Lust, Tod und Auferstehung mutieren zu ewigem Friede, ewigem Glück, ewigem Reichtum und Erleuchtung. Die Erde verbrennt. Der Körper ist Geist.
Die überragende große Göttin, ein metaphysisches Symbol: die Erzpersonifizierung der Kraft von Raum, Zeit und Materie, in deren Bezirk alle Wesen entstehen und vergehen: der Stoff ihrer Leiber, die Gestalterin ihrer Leben und Gedanken und die Empfängerin ihrer Toten. Und alles, was Form oder Name hat – einschließlich des als gut oder böse, gnädig oder zornig personifizierten Gottes-, war ihr Kind, in ihrem Schoß. Die Mythologien der göttlichen Mutter, wurden von den patriarchalen Kriegerstämmen, deren Traditionen hauptsächlich im Alten und Neuen Testament und in den Mythen Griechenlands auf uns gekommen sind, von Grund auf verwandelt, umgedeutet und in großem Umfang unterdrückt.
(J.Campbell, 1959, Die Masken Gottes)
Es gibt keine Bewußtheit ohne die Unterscheidung von Gegensätzen. Das ist das Vaterprinzip des Logos, der sich in unendlichem Kampfe der Urwärme und der Urfinsternis des mütterlichen Schoßes, eben der Unbewußtheit, entwindet. Keinen Konflikt, kein Leiden, keine Sünde scheuend, strebt die göttliche Neugier nach der Geburt. Unbewußtheit ist die Ursünde, das Böse schlechthin für den Logos. Seine weltschöpfende Befreiungstat aber ist der Muttermord, und der Geist, der sich in alle Höhen und Tiefen wagte, muß […] auch die göttlichen Strafen erleiden, die Fesselung an den Felsen des Kaukasus. Denn keines kann sein ohne das andere, weil beide am Anfang eines waren und am Ende wiederum eines sein werden […] wie alles Leben durch viele Tode hindurchgehen muß.
(C.G. Jung, 1959, Die psychologischen Aspekte des Mutterarchetypus)
DAS FLEISCH DER WELT (Merleau Ponty) …
- der Gegensatz zum Geist – das Spiel des Lebens in der absoluten, körperlichen Gegenwart, in der Überwindung scheinbar unlösbarer Paradoxien, von Augenblick zu Augenblick
- die Matrix, der Mutterboden, die Gebärmutter, das Muttertier, die Erde
- die prima materia – jener ungeformte Urstoff aus dem alles Gestalthafte entsteht (-> WASSER)
DIE MATERIE …
- ist das Gehäuse des Teufels, welcher seine Höhle, Feuer und Kessel im Erdinnern aufgestellt hat (-> FEUER, HÖLLE, ORGIE)
Der Sonnenvogel selbst, verzehrt mit seinen Strahlen den Lebenssaft der Erde: die Flüsse und Bäche, jene Heimat der Schlangen, die Wasser des Todes (-> SCHLANGEN)
DER LEIB, DER KÖRPER …
- ist Träger und Hyroglyphe des Schicksals, der eigenen Geschichte und Menschen könnten ihn/sich stündlich neu bestimmen
- weibliche Gottheiten haben Charakter, haben Gestalt, Leib, Körper (-> BERG, STEIN, THRON, BAUM) #das_unaussprechliche
- männliche Gottheiten tragen Namen. Ihr Name ermöglicht Unterscheidung, das ICH, seine eigene Ahnenreihe und ewigen Sieg. Jenes Erbe der Ahnen führt direkt zum Privateigentum, zu Besitz, Kapital und Profit. Zum Krieg, dem die Frau die Söhne entbindet, daß sie Mutter Erde mit ihrem Blut tränken und sich kaum geboren, wieder in Ihr auflösen. Ein heiliges Fruchtbarkeitsritual ist heute ein Schlachten um Macht und Einfluß, das die große Allmutter zerstört
SCHMERZ, LEID …
- ist weiblich
- lüftet die Schicksalsschleier und offenbart deine nackte, verwundbare Existenz
NACKTHEIT, rituelle …
- bedeutet Leid und Schmerz
- leitet die Wandlung ein – Wandlung durch Leid, Opfer, Tod, Vernichtung. Das Sterbliche wird erst zum Unsterblichen, nachdem es neu geboren wurde.
- Schlaf, Betäubung, Isolation, Hunger, Rausch, Gift, Folter
- keine Wandlung, keine Geburt ohne Leid
- ermöglicht den Zutritt in den Tempel, das Heiligtum, die Unterwelt
- befähigt zur Teilnahme an den Orgien zur Auflösung der Welt
- steht im poetischen Verständnis für das Ablegen bzw. Loslassen von Macht, Ansehen, Rang und Namen und profaner Wünsche, Begehren
- die Hölle wird nackt betreten, ohne Schutz oder sonstigen Zeichen von Stand, Zeit, Glaube oder Ort: verletzliches Fleisch in der Selbstaufgabe, nackte Existenz
Dich Allmutter werde ich besingen,
dich altehrwürdige festgegründete Ernährerin aller irdischen Wesen;
was die göttliche Erde begeht und was im Meer, was in den Lüften sich regt,
genießt – deinen quellenden Segen.
Gute Kinder und gute Früchte entsprießen dir.
Herrin, es steht ganz bei dir, den sterblichen Menschen Leben zu geben oder zu nehmen.
Doch selig sind alle, die du von Herzen sorgend umhegst;
bereitet ist ihnen neidloser Wohlstand.
Schwer von lebensspendender Nahrung strotzen die Äcker,
auch auf den Feldern gedeiht das Vieh, das Haus birgt alles Treffliche.
Und in der Stadt, reich an schönen Frauen,
herrscht man nach göttlichem Gesetz, begleitet von Fülle und Reichtum.
Kinder strahlen von Jugend und Frohsinn,
Jungfrauen tanzen fröhlich beherzt mit Blüten in Händen die Reigen (-> JUNGFRAU)
und springen über die blumigen Polster der Wiesen.
Erhabene Göttin! Solche Ehre genießen die deinen, du neidloser Daimon.
Heil dir, Mutter der Götter, Gattin des sternübersäten Himmels!
Spende gütig zum Lohn für mein Lied herzerfreuendes Leben!
Ich aber werde deiner und anderer Gesänge gedenken.
(Homer)
Ein feste Burg ist unser Gott,
ein gute Wehr und Waffen.
Er hilft uns frei aus aller Not,
die uns jetzt hat betroffen.
Der alt böse Feind
mit Ernst er’s jetzt meint,
groß Macht und viel List
sein grausam Rüstung ist,
auf Erd ist nicht seinsgleichen.
Mit unsrer Macht ist nichts getan,
wir sind gar bald verloren;
es streit’ für uns der rechte Mann,
den Gott hat selbst erkoren.
Fragst du, wer der ist?
Er heißt Jesus Christ,
der Herr Zebaoth,
und ist kein andrer Gott,
das Feld muss er behalten.
Und wenn die Welt voll Teufel wär
und wollt uns gar verschlingen,
so fürchten wir uns nicht so sehr,
es soll uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
wie sau’r er sich stellt,
tut er uns doch nicht;
das macht, er ist gericht’:
ein Wörtlein kann ihn fällen.
Das Wort sie sollen lassen stahn
und kein’ Dank dazu haben;
er ist bei uns wohl auf dem Plan
mit seinem Geist und Gaben.
Nehmen sie den Leib,
Gut, Ehr, Kind und Weib:
lass fahren dahin,
sie haben’s kein’ Gewinn,
das Reich muss uns doch bleiben.
(Luther, 1520)
Gen 3,16
Zur Frau sprach er: Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst. / Unter Schmerzen gebierst du Kinder. / Du hast Verlangen nach deinem Mann; / er aber wird über dich herrschen.
Gen 3,17
Zu Adam sprach er: Weil du auf deine Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem zu essen ich dir verboten hatte: So ist verflucht der Ackerboden deinetwegen. / Unter Mühsal wirst du von ihm essen / alle Tage deines Lebens.
Gen 3,18
Dornen und Disteln lässt er dir wachsen / und die Pflanzen des Feldes musst du essen.
Gen 3,19
Im Schweiße deines Angesichts / sollst du dein Brot essen, / bis du zurückkehrst zum Ackerboden; / von ihm bist du ja genommen. / Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück.
Gen 3,20
Adam nannte seine Frau Eva (Leben), denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen.
NACKTE FRAU …
- die gänzlich entblößte Frau, aller Gewänder und allen Schmucks entledigt, die sie auf einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit festlegen würden, repräsentiert die Wahrheit
- heilige Frauen (Nymphen, Elfen, Feen, Nornen … ) werden oft nackt am Quell dargestellt (-> WASSER)
Man wird sie deshalb mit derselben Bewunderung und derselben Abgelöstheit zu betrachten haben, wie man sie bei der Betrachtung des unauslotbaren Geheimnisses der Natur und seiner unbegrenzten Schöpfungsfähigkeit mitbringt. Die rituelle Nacktheit […] hat wesentlichen mystischen Wert […] die Frau im Ritus wird zur Göttin […] die sexuelle Vereinigung verwandelt sich in ein Ritual, durch welches das menschliche Paar ein göttliches Paar wird.
(M. Eliade, 1960, Yoga, Unsterblichkeit und Freiheit)
JUNGFRAU …
- Aus der Sicht des EWIG WEIBLICHEN ist die Schwangerschaft losgelöst von lustvollen Sexualbeziehungen. Die Schwangerschaft ist ein „VERBUNDEN SEIN“ mit ALLEM – das schöpferische Prinzip der Jungfräulichkeit als Leere, Weisheit, Anfang aus dem Wandlung entsteht.
- Das Weibliche empfängt von einer transpersonalen Macht, nicht vom Mann aus einer fleischlichen Beziehung. (-> NACKTHEIT, rituelle)
- Diese transpersonale Macht sind Tiere: Schlange, Vogel, Stier, Widder, Löwe, Schwein …
oder Früchte, oder der Wind und der Mond, oder Dämonen, Teufel, Geister – oder Götter in verschiedenen Gestalten transpersonaler Mächte. - Sie entbindet Leben aus dem Fluß, dem Berg, der Seite (Adam – Eva ), dem Kopf (Zeus – Athene) und dem Wort (Mundgeburt)
Am Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott selbst. Von Anfang an war es bei Gott. Alles wurde durch das Wort geschaffen; nichts ist ohne das Wort entstanden. (Johannes 1:1-18) - Sie ist ein lebendiges Bild und NICHT DAS ERGEBNIS KÖRPERFEINDLICHER „REINHEIT“.
TOTEM …
- Aus der zeugenden Verbindung mit transpersonalen Mächten entsteht das Totem, das zeugende Tier, das Begleittier der Göttinnen und Götter, das diese auch immer selbst sind. In der Orgie (-> ORGIE, KESSEL, ZAUBERTRANK) kann ich in der grenzenlosen Raserei meine menschliche Gestalt wechseln, in eine tierische oder göttliche, die wiederum jede andere Gestalt annehmen kann.
- imitatio dei
Die Nachahmung Gottes ist das religiöse Gebot des Menschen, der Erlösung findet, indem er versucht, sein Konzept des höchsten Wesens zu verwirklichen - fingunt simul creduntque (Vico, NW § 376)
Erschaffen und Glauben – Mensch der kindlichen Welt erfindet und glaubt zugleich an die eigenen Fiktionen: Wenn den Menschen die natürlichen Ursachen unbekannt sind, die die Dinge hervorbringen, und sie diese auch nicht durch ähnliche Dinge erklären können, so schreiben sie den Dingen ihre eigene Natur zu, wie zum Beispiel der Magnet sei in das Eisen verliebt […] und so machen sie aus der ganzen Natur einen ungeheuren beseelten Körper, der Leidenschaften und Begierden empfindet. (Vico, NW § 180/377) - Das Paradox der Kultur: um vollständig Mensch zu werden, benötigen wir das WECHSELSEITIGE VERBUNDEN SEIN mit anderen Wesen. Um Mensch zu sein, müssen wir Tier werden, Stein, Wasser, Baum, Universum. Wir sind das alles schon sind, müssen uns nur darauf einlassen.
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.
(R. M. Rilke, Der Panther, erschienen in “Neue Gedichte”, 1907)
Wie die rationale Metaphysik lehrt homo intelligendo fit omnia (der Mensch macht durch Erkennen alles), so lehrt diese phantastische Metaphysik homo non intelligendo fit omnia und vielleicht liegt in diesem Wort mehr Wahrheit als in jenem, denn durch das Verstehen klärt der Mensch seinen Geist auf und begreift die Dinge, doch durch das Nichtverstehen macht er die Dinge aus sich selbst, verwandelt sich in sie und wird selbst zum Ding.
(Vico, 1744)
Wie die Frau mit der Gebärmutter gebiert, so der Vater mit dem Gehirn. Die Schöpfung durch die Kraft des Wortes ist ein weiteres Beispiel für eine solche Verlegung auf den Gebärvater: der Mund die Vagina, das Wort die Geburt. Und eine ungemein wichtige Folge dieser bizarren, aber hochgeehrten Abirrung nach oben ist die Vorstellung, die die gesamte abendländische Geisteshaltung auszeichnet […] nämlich das Geistes- und Geschlechtsleben Gegensätze seien. […] Die Funktion des weiblichen Faktors ist systematisch abgewertet […]
Ein ewiges, höheres Prinzip reinen Lichts ist gegen den älteren Wechsel von Dunkel und Helle, Tod und Auferstehung ins Feld geführt worden, wie die Sonne gegen den Mond. Die Sonne stirbt nie. Die Sonne steigt in die Unterwelt hinab, bekämpft die Dämonen des Nachtmeeres, gerät in Gefahr, aber stirbt nie.
(Campbell, 1959, Die Masken Gottes)
»Ist dies nicht das große Babylon, das ich zum königlichen Wohnsitz (= zur Residenz) durch meine gewaltige Macht und zum Ruhm meiner Herrlichkeit erbaut habe?« Noch war das Wort im Munde des Königs (d. h. kaum über die Lippen des Königs gekommen), da erscholl eine Stimme vom Himmel herab: »Dir, o König Nebukadnezar, wird hiermit kundgetan: die Königswürde ist dir genommen! Aus der Verbindung mit Menschen wirst du ausgestoßen, und bei den Tieren des Feldes soll dein Aufenthalt sein; Gras (oder: Kraut) wird man dir zur Nahrung geben wie den Rindern, und sieben Zeiten (= Jahre) werden über dich dahingehen, bis du erkennst, daß der Höchste die Gewalt über das Königtum der Menschen hat und daß er es verleihen kann, wem er will.« Augenblicklich erfüllte sich das Wort an Nebukadnezar: er wurde aus der Verbindung mit Menschen ausgestoßen, nährte sich von Gras (oder: Kraut) wie die Rinder, und sein Leib wurde vom Tau des Himmels benetzt, bis sein Haar so lang gewachsen war wie Adlerfedern und seine Nägel wie Vogelkrallen.
Der Prophet Daniel – Kapitel 4,25-30
MARIA …
- In keltischen Sagen tritt Maria als Morgan le Faye auf. In irischen Sagen erscheint sie als The Morrigan, d.h. Die Große Königin, eine Todesgöttin und la Faye bedeutet Schicksal. Sie konnte die Gestalt eines Raben annehmen und wurde im Gefecht durch die Nachahmung des Rabenkrächzen angerufen. Sie ist die schwarze, kreischende Hexe Cerridwen in der Romance of Taliesin – eine Medusengestalt; großmäulig, hinkend, dunkelhäutig,aufbrausend, rußig, schielend auf dem linken Auge.
- Nach gnostischer Theorie ist Gottes Geist im Hebräischen weiblichen Geschlechts und schwebte „über dem Wasser“. In der Jungfrau Maria ist diese Idee physisch verkörpert und Maria bedeutete „die vom Meere“. (Vgl. Graves, 1976, White Goddess)
- Erwähnt sei auch die gedankliche Nähe Marias zu Frau Holle aus deutscher Sagen- und Märchenwelt, in direkter Verbindung zu Nerthus, der nordischen Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin. Der Weg zu Frau Holle oder eben Nerthus führt nach unten, in den Brunnen. In die Erde, in den Körper selbst. Somit in die Unterwelt zum Ursprung des Schicksals.(Vgl. Grimm, 1878, Kap. XIII Göttinnen)
- Aus der nordischen Mythologie kennen wir die Walküren, die Schwanjungfrauen – die über das Wasser kommen, symbolisiert durch den Schwan der den Lebensatem ausstößt.(Vgl. Grimm, 1878, Kap. XVI Weise Frauen) Sie entsteigen dem Wasser und sind das Wasser: fließend, drückend, gefährlich, kraftvoll, abschreckend, unberechenbar, gestaltlos, unbändig, ruhig, tragend, wärmend oder kühlend, umfließend. (-> WASSER)
- Denn nicht weniger als die Schlange war die Taube ein Attribut und Begleittier der Großen Göttin. (Vgl. Campbell, Masken Gottes, 1959)
- Eine enge Begleiterin der Jungfrau Maria ist eine weiße Taube, nach christlicher Lesart eigentlich die Verkörperung des (männlichen) Heiligen Geistes. Sie galt in älteren Kulturen primär jedoch als Sexualsymbol und heilige Muse. Die Tauben sind Botinnen des erotischen Begehrens und der Inspiration.
Die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube lässt sich hören in unserm Lande.
Der Feigenbaum lässt Früchte reifen, und die Weinstöcke blühen und duften. Steh auf, meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her!
Meine Taube in den Felsklüften, im Versteck der Felswand, zeige mir deine Gestalt, lass mich hören deine Stimme; denn deine Stimme ist süß, und deine Gestalt ist lieblich. (Hohelied der Liebe 2,12, 13, 14, Lutherbibel 2017)
- Woher stammt Maria? Aus Adam. Woher stammt Adam? Von der Erde. Wenn Adam von der Erde stammt und Maria von Adam, so ist auch Maria Erde. Ist Maria Erde, so lasst uns verstehen, was wir (im Psalm 84,12) singen: «Die Wahrheit ist der Erde entsprossen». Welche Art von Wohltat brachte sie uns? «Die Wahrheit ist der Erde entsprossen, und die Gerechtigkeit blickt vom Himmel herab».
- Die Wahrheit ist aus der Erde entstanden, weil Christus aus der Jungfrau geboren wurde. (Augustinus, Sermones, 189, II)
- Marias Mantel ist blau – Farbe des Himmels, Farbe des Wassers … (-> WASSER)
Ave Maria! Jungfrau mild,
Erhöre einer Jungfrau Flehen,
Aus diesem Felsen starr und wild
Soll mein Gebet zu dir hinwehen.
Wir schlafen sicher bis zum Morgen,
Ob Menschen noch so grausam sind.
O Jungfrau, sieh der Jungfrau Sorgen,
O Mutter, hör ein bittend Kind! Ave Maria!
Ave Maria! Unbefleckt!
Wenn wir auf diesen Fels hinsinken
Zum Schlaf, und uns dein Schutz bedeckt
Wird weich der harte Fels uns dünken.
Du lächelst, Rosendüfte wehen
In dieser dumpfen Felsenkluft,
O Mutter, höre Kindes Flehen,
O Jungfrau, eine Jungfrau ruft!
(Schubert, Ellens dritter Gesang (Ellens Gesang III, D. 839, Op. 52, No. 6, 1825) Lyrics)
Sah ein Knab‘ ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell es nah zu sehn,
Sah’s mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.
Knabe sprach: ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: ich steche dich,
Daß du ewig denkst an mich,
Und ich will’s nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.
Und der wilde Knabe brach
’s Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihr doch kein Weh und Ach,
Mußt‘ es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.
(Goethe, 1827)
Einst ging ich am Ufer der Donau und fand
|: Ein schlafendes Mädchen in weißem Gewand. :|
Da stand ich ganz stille und rührte mich nicht
|: Und schaute ihr immer ins schöne Gesicht. :|
Da ward mir auf einmal mein Herzchen so schwer,
|: Da hört ich das Rauschen der Donau nicht mehr. :|
Und als nun das Mädchen vom Schlafe erwacht,
|: Da war ja das Opfer der Liebe vollbracht. :|
Daß du wirst mein Weibchen und ich werd dein Mann!
|: Und übrigens geht es die Leute nichts an. :|
Dass du bist mein Weibchen, des bin ich so froh,
|: Das verdanken wir beide ner hüpfenden Floh.
(1894, Version Johann Lewalter)
Ihre Hinterbacken waren halb geöffnet, und ich sah den doppelten Weg zur Wonne offen vor mir liegen.
Berühre niemals, so sprach er zu mir, mit der Hand oder nur auch mit dem Blick deiner Augen jenen gemeinen Körperteil; er ist nichts anderes als[12] der Apfel, der Adam verführt hat, er hat das Menschengeschlecht durch die erste Sünde in Verdammnis gestürzt. In ihm wohnt der Teufel, er ist sein Aufenthalt, sein Thron; lasse dich ja nicht durch diesen Feind Gottes und der Menschen überraschen. Die Natur wird bald diesen Körperteil mit häßlichen Haaren bedecken, gleich jenem Fell, das die wilden Tiere tragen, um durch diese Strafe anzuzeigen, daß du dich seiner schämen mußt, daß Dunkelheit und Vergessenheit sein Los sein müssen. Noch vorsichtiger hüte dich vor jenem Stück Fleisch der jungen Knaben deines Alters, woran ihr dort oben auf dem Dachboden euren Spaß gehabt habt. Dieses Stück Fleisch, meine Tochter, ist die Schlange, die unsere gemeinsame Mutter Eva in Versuchung führte. Laß niemals deine Blicke und Finger durch dieses ekelhafte Tier besudelt werden. Es würde dich stechen und früher oder später unfehlbar dich verschlingen!
Wie, hochwürdiger Vater, antwortete ich ganz aufgeregt, ist es möglich? Kann es eine Schlange sein, und ist es wirklich so gefährlich, wie Sie sagen? Ach, mir kam das Tier so sanft vor! Es hat keine von meinen Freundinnen gebissen; ich versichere Ihnen, es hatte nur einen ganz kleinen Mund und gar keine Zähne – ich habe es genau gesehen …
Geh, mein Kind, unterbrach mein Beichtvater mich, glaube, was ich dir sage: Die Schlangen, die du vorwitzigerweise angefaßt hast, waren noch zu jung und zu klein, um das Unheil anzurichten, dessen sie fähig sind; aber sie werden länger und dicker, sie werden sich auf dich stürzen, und dann mußt du die Wirkung des Giftes fürchten, das sie mit einer Art von Wut zu verspritzen pflegen: es würde dir Leib und Seele vergiften.
…
Du wirst sehen, sagte sie feurig zu mir, wie kräftig meine geistlichen Übungen sind, wie der gute Vater von einem Grade der Buße zum anderen mich dem Ziel entgegenführt, eine große Heilige zu werden, und du wirst nicht mehr an den Ekstasen und Verzückungen zweifeln, die eine Folge eben dieser Übungen sind. Möchte doch, meine liebe Therese, mein Beispiel an dir das erste Wunder wirken, daß es kraft geistlichen Nachdenkens deinen Geist völlig dem Stoff abwendet und zu Gott allein hinführt!
Am anderen Morgen ging ich der Verabredung gemäß schon um fünf Uhr zu Eradice. Ich fand sie im Gebet, ein Buch in der Hand. Sie sagte zu mir: Der heilige Mann wird gleich kommen und Gott mit ihm. Verbirg dich in jenem Kämmerchen; von dort aus kannst du hören und sehen, wie weit durch die fromme Sorge unseres Beichtvaters seine göttliche Güte für ein niedriges Geschöpf sich erstreckt.
Gleich darauf wurde leise an die Tür geklopft; ich flüchtete in die Kammer, deren Schlüssel Eradice an sich nahm. Ein handgroßes Loch in der Kammertür, das mit einer alten bergamaskischen Stickerei verdeckt war, gestattete mir, das ganze Zimmer frei zu übersehen, ohne daß ich selber bemerkt werden konnte.
Der gute Pater trat ein und sagte zu ihr: Guten Morgen, meine liebe Schwester in Gott, der heilige Geist von Sankt Franziskus sei bei Ihnen!
Sie wollte sich ihm zu Füßen werfen, er aber hob sie auf und befahl ihr, sich neben ihn zu setzen. Dann sagte der heilige Mann zu ihr: Ich muß Ihnen die Grundsätze wiederholen, von denen Sie bei allen Handlungen Ihres Lebens sich müssen leiten lassen; aber sagen Sie mir zuvor, wie es mit Ihren Wundmalen steht; ist das Stigma, das Sie auf der Brust haben, noch immer in demselben Zustande? Lassen Sie einmal sehen!
Eradice entblößte sofort ihre linke Brust, unterhalb welcher sich das Stigma befand.
Oh, oh, halten Sie ein, Schwester! Bedecken Sie Ihren Busen mit diesem Taschentuch! (Er reichte ihr ein Tuch.) Solche Dinge sind nicht für ein Mitglied unserer Gesellschaft gemacht; es wird genügen, wenn ich die Wunde sehe, die der heilige Franz Ihnen aufgedrückt hat. Ah, sie ist noch da, gut, ich bin zufrieden. Sankt Franziskus liebt Sie immer noch; die Wunde ist rosig und rein. Ich habe auch wieder das heilige Stück von seinem Strick mitgebracht; wir werden es später bei unseren Übungen nötig haben. Ich haben Ihnen schon gesagt, liebe Schwester, daß ich Sie vor allen meinen Beichtkindern, Ihren Freundinnen, auszeichne, weil ich sehe, daß der liebe Gott selber Sie vor seiner frommen Herde auszeichnet, wie die Sonne vor dem Mond, vor den anderen Planeten ausgezeichnet ist. Aus diesem Grunde habe ich mich auch nicht gescheut, vor Ihnen die verborgensten Geheimnisse zu enthüllen. Ich habe Ihnen gesagt, meine liebe Schwester: Vergessen Sie sich und lassen Sie geschehen; Gott will von den Menschen nur Herz und Geist. Nur wenn Sie den Körper vergessen, kann es Ihnen gelingen, in Gott aufzugehen, eine Heilige zu werden, Wunder zu wirken. Ich kann Ihnen nicht verhehlen, mein kleiner Engel, daß ich bei unserer letzten Übung bemerkt habe, daß Ihr Geist noch dem Fleisch Untertan ist. Wie? Konnten Sie denn nicht wenigstens zum Teil es machen wie jene seligen Märtyrer, welche gegeißelt, mit glühenden Zangen gezwickt, auf dem Rost gebraten wurden, ohne den geringsten Schmerz zu leiden, weil all ihr Denken dermaßen von Gottes Ruhm erfüllt war, daß jeder kleinste Teil ihres Geistes nur damit beschäftigt war? Unsere Sinne, liebe Tochter, sind untrügliche Werkzeuge: Nur durch sie fühlen wir, nur durch sie begreifen wir sowohl das körperliche wie das moralische Gute und Böse. Sobald wir einen Gegenstand berühren, hören, sehen, fließen kleine Teilchen unseres Geistes in die kleinen Nervenhöhlungen, und dadurch erhält die Seele Mitteilungen. Wenn Sie stark genug an die Liebe denken, die Sie Gott schuldig sind, um alle Partikeln Ihres Geistes zusammenzuhalten und nur auf diesen Gegenstand zu konzentrieren, so wird ganz gewiß keine einzige Partikel übrigbleiben, um Ihrer Seele Kunde zu geben von den Schlägen, die Ihr Fleisch empfängt: Sie werden sie nicht fühlen. Sehen Sie den Jäger, wie seine ganze Seele von dem Gedanken an das Wild erfüllt ist, das er verfolgt; er fühlt weder Stacheln noch Dornen, wenn er durch das Dickicht der Wälder bricht. Sie sind schwächer als er, aber der Gegenstand, der Sie beschäftigt, erregt tausendmal mehr Ihre Teilnahme. Werden Sie die schwachen Schläge der Geißel fühlen, wenn Ihre Seele so tief von dem Gedanken an das Glück erfüllt ist, das Sie erwartet? Diese Prüfung müssen wir überstehen, wenn wir Wunder vollbringen wollen; solchen Grad der Vollkommenheit müssen wir erreichen, wenn wir in Gott aufgehen wollen!
Wir wollen gewinnen, liebe Tochter: Erfüllen Sie gut Ihre Pflicht und seien Sie gewiß: Dank dem Strick des heiligen Franziskus und dank Ihren frommen Betrachtungen wird diese heilige Übung mit einem Schauer unaussprechlicher Wonne für Sie enden. Auf die Knie, mein Kind! Entblößen Sie jene Teile des Fleisches, die Gottes Zorn erregen; der Schmerz, den Sie erleiden, wird Ihren Geist in innige Verbindung mit Gott bringen. Ich wiederhole Ihnen: Vergessen Sie sich und lassen Sie geschehen!
Fräulein Eradice gehorchte sofort, ohne ein Wort zu erwidern. Ein Buch vor sich hinhaltend, kniete sie auf einen Betschemel nieder. Hierauf hob sie ihre Röcke und ihr Hemd bis zum Gürtel hoch und zeigte ihre schneeweißen und vollkommen geformten runden Hinterbacken, die von zwei herrlich schönen Schenkeln getragen wurden.
Heben Sie Ihr Hemd noch höher! sagte er zu ihr. Es sitzt nicht gut. So – jetzt ist es besser. Nun falten Sie Ihre Hände und erheben Sie Ihre Seele zu Gott. Erfüllen Sie Ihren Geist mit den Gedanken an das ewige Glück, das Ihnen verheißen ist!
Der Pater zog nun seinen Schemel heran und kniete ein wenig rückwärts neben ihr nieder. Unter seiner Kutte, die er hoch schürzte und an seinem Gürtel befestigte, zog er ein dickes Bündel langer Ruten hervor, das er seiner Büßerin zum Kuß reichte.
Von einem frommen Schauer erfüllt, beobachtete ich aufmerksam diesen Vorgang; ich fühlte eine Art von Entsetzen, das ich nicht beschreiben kann. Eradice sagte kein Wort. Der Pater betrachtete mit glühenden Blicken ihre Schenkel, die er vor sich hatte; und während er seine Blicke auf sie geheftet hielt, hörte ich ihn voll Bewunderung leise flüstern: Ach, der schöne Busen! Was für reizende Brüste!
Bald bückte er sich, bald richtete er sich wieder auf, wobei er einige Bibelworte murmelte. Nichts entging seiner geilen Neugier. Nach einigen Minuten fragte er die Büßerin, ob ihre Seele in Andacht sei.
Ja, ehrwürdigster Vater! Ich fühle, daß meine Seele sich vom Fleisch loslöst, und ich flehe Sie an, das heilige Werk zu beginnen.
Dies genügt. Ihr Geist wird zufrieden sein.
Er sagte noch einige Gebete her, und die Zeremonie begann mit drei ziemlich leichten Rutenschlägen, die er ihr auf den Hintern versetzte. Diesen drei Schlägen folgte ein Bibelvers, den er hersagte. Hierauf kamen wieder drei Rutenstreiche, etwas stärker als die ersten.
Nachdem er fünf oder sechs Verse hergesagt und jedesmal auf die gleiche Art unterbrochen hatte, sah ich plötzlich zu meiner höchsten Überraschung den Pater Dirrag seine Hose aufknöpfen, und es schoß ein glühender Pfeil hervor, der jener verhängnisvollen Schlange glich, um welche mein früherer Beichtvater mich gescholten hatte.
Das Ungeheuer war so lang, so dick und so fest wie jenes, von denen der Kapuziner gesprochen hatte; ich schauderte vor Entsetzen. Der rote Kopf dieser Schlange schien Eradices Hinterbacken zu bedrohen, die von den Schlägen eine wunderschöne rote Farbe angenommen hatten. Das Gesicht des Paters glühte.
Sie müssen jetzt, sagte er, im Zustande vollkommener Andacht sein: Ihre Seele muß von den Sinnen losgelöst sein. Wenn meine Tochter meine frommen Hoffnungen nicht enttäuscht, so sieht, hört, fühlt sie nichts mehr.
In demselben Augenblicke ließ der grausame Mensch einen Hagelschauer von Schlägen auf Eradices Körperteile niedersausen, die sie entblößt hatte. Sie sagte jedoch kein Wort dabei; sie war anscheinend unbeweglich und ganz gefühllos gegen diese entsetzlichen Schläge; ich bemerkte an ihr nur eine krampfhafte Bewegung ihrer beiden Hinterbacken, die sich jeden Augenblick zusammenzogen und wieder ausdehnten.
Ich bin mit Ihnen zufrieden, sagte er zu ihr, nachdem er sie eine Viertelstunde lang auf diese grausame Art gezüchtigt hatte. Es ist Zeit, daß Sie die Früchte Ihrer heiligen Arbeiten zu genießen beginnen. Hören Sie nicht auf mich, meine liebe Tochter, aber lassen Sie sich leiten. Werfen Sie sich mit dem Gesicht zur Erde nieder; ich werde mit dem ehrwürdigen Strick des heiligen Franziskus alles Unreine vertreiben, das noch in Ihnen ist.
Der gute Pater brachte sie nun in eine Stellung, die allerdings erniedrigend, aber für seine Absichten sehr bequem war. Niemals hatte ich meine Freundin so schön gesehen: Ihre Hinterbacken waren halb geöffnet, und ich sah den doppelten Weg zur Wonne offen vor mir liegen.
Nachdem der Mucker sie einen Augenblick bewundert hatte, benetzte er den sogenannten Strick mit Speichel, hierauf sprach er einige Worte im Tone eines Priesters, der durch seine Beschwörung den Teufel aus dem Leibe eines Besessenen austreibt, und dann begann der ehrwürdige Herr den Strick hineinzuschieben.
Ich konnte von meinem Platz aus den geringsten Umstand des ganzen Vorganges sehen; die Fenster des Zimmers lagen der Tür der Kammer gegenüber, worin ich eingeschlossen war. Eradice kniete auf dem Fußboden; ihre Arme hatte sie über den Fuß ihres Betschemels gekreuzt, und ihren Kopf stützte sie auf die Arme. Ihr Hemd war sorgfältig bis zum Gürtel aufgehoben, und ich konnte halb von der Seite ihren Hintern und eine Rückenlinie von herrlicher Schönheit sehen. Dieser lockende Anblick fesselte die Aufmerksamkeit des ehrwürdigsten Vaters, der sich selber auf die Knie geworfen hatte. Er hatte die Beine seines Beichtkindes zwischen die seinigen geklemmt, seine Hosen hatte er heruntergelassen, in der Hand hielt er seinen schrecklichen Strick, und in dieser Stellung murmelte er einige unverständliche Worte.
In dieser erbaulichen Stellung verharrte er einige Augenblicke; er musterte den Altar mit glühenden Blicken und schien unentschlossen zu sein, in welcher Form er das Opfer darbringen wollte. Zwei Mündungen boten sich ihm; ungewiß, welche er wählen sollte, verschlang er sie beide mit den Augen. Die eine war ein Leckerbissen für einen solchen Kuttenträger; aber er hatte seiner Büßerin Wonne, Verzückung versprochen. Wie sollte er’s also anfangen? Mehrere Male wagte er es, mit der Spitze seines Werkzeugs leise an die Lieblingstür zu pochen; endlich aber war die Klugheit stärker als die Lust. Ich muß ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen: Ich sah deutlich den rötlichen Priap Seiner Ehrwürden den kanonischen Weg einschlagen, nachdem der fromme Herr mit dem Daumen und Zeigefinger jeder Hand die rosigen Schamlippen zart zur Seite geschoben hatte.
Die Arbeit begann mit drei kräftigen Stößen, durch die er ungefähr die Hälfte hineinbrachte; dann verwandelte sich plötzlich die anscheinende Ruhe des Paters in eine Art von Wut. Welch ein Gesicht: Gott, stellen Sie sich, Herr Graf, einen Satter vor, der offenen Mundes mit schaumbedeckten Lippen bald mit den Zähnen knirscht, bald wie ein Stier schnauft, der brüllen will. Seine Nüstern waren leicht geöffnet und zitterten. Seine Hände hielt er einige Fingerbreit über Eradices Hinterteil; ich sah, daß er es nicht wagte, sich mit ihnen aufzustützen; seine Finger waren krankhaft gespreizt und sahen aus wie die Pfoten eines gebratenen Kapauns. Den Kopf hielt er gesenkt, und seine funkelnden Augen hafteten fest an der Arbeit des sogenannten Stricks, dessen Hin und Her er genau bemaß, so daß er beim Zurückziehen niemals die Scheide verließ und daß beim Eindringen sein Bauch niemals den Hintern der Büßerin berührte, die sonst leicht hätte ahnen können, woran der angebliche Strick befestigt war. Welche Geistesgegenwart!
Ich sah, daß ungefähr eines Daumens Breite des heiligen Werkzeuges beständig draußen blieb und nicht an dem Fest teilnahm. Ich sah, daß bei jeder Rückwärtsbewegung des Paters die Schamlippen des Fräulein Eradice sich halb öffneten und mit ihrer lebhaften rosigen Färbung einen entzückenden Anblick boten. Wenn dagegen der Pater sich vorwärts bewegte, so sah ich von diesen Schamlippen nichts mehr als die feinen schwarzen Haare, die sie bedeckten; dann umschlossen sie den Pfeil so eng, daß er von ihnen verschlungen zu sein schien und daß man kaum erraten konnte, welcher von den beiden handelnden Personen jener Zapfen angehörte, an welchem sie beide befestigt zu sein schienen.
Welches Schauspiel, mein lieber Graf, für ein junges Mädchen, das von derartigen Geheimnissen gar nichts wußte! Die verschiedensten Gedanken gingen mir durch den Kopf, aber es waren lauter ganz unbestimmte Vorstellungen; ich erinnere mich nur, daß ich zwanzigmal auf dem Sprunge stand, mich dem berühmten Beichtvater zu Füßen zu werfen und ihn zu beschwören, es mit mir ebenso zu machen, wie mit meiner Freundin. War dies Frömmigkeit? War es fleischliche Begierde? Selbst jetzt könnte ich dies nicht genau sagen.
Doch zurück zu unserem frommen Paar! Die Bewegungen des Paters wurden schneller; kaum vermochte er sich noch im Gleichgewicht zu halten. Sein Körper bildete jetzt vom Kopf bis zu den Füßen ungefähr die Form eines S, dessen vordere Ausbauchung sich waagerecht hin und her bewegte.
Ist dein Geist jetzt zufrieden, meine kleine Heilige? fragte er mit einem tiefen Seufzer; ich, ich sehe alle Himmel offen, die Gnade entrückt mich von der Erde, ich …
Ach, ehrwürdiger Vater, rief Eradice, welche Wonne stachelt mich! Ja, ich genieße himmlisches Glück; ich fühle, daß mein Geist ganz und gar vom Stoff befreit ist. Verjagen Sie, Vater, verjagen Sie alles Unreine, das noch in mir ist. Ich sehe … die … Engel; stoßen Sie stärker … Tiefer … Stoßen Sie doch … Ach …! Ach …! Guter … heiliger Franz! Verlaß mich nicht! Ich fühle den Stri … Stri … Strick … Ich kann nicht mehr … Ich sterbe …!
Der Pater fühlte ebenfalls die höchste Wonne nahen; er stieß, stammelte, schnaufte, stöhnte. Eradices letzte Worte aber waren für ihn das Signal zum Rückzuge. Ich sah die stolze Schlange, die ganz demütig geworden war, schaumbedeckt herauskriechen.
Alles verschwand wieder in der Hose; der Pater ließ seine Kutte herab und ging mit schwankenden Schritten nach dem Betschemel. Er kniete hin, wie wenn er betete, befahl seinem Beichtkinde aufzustehen, sich zu bedecken und dann neben ihm zu knien, um Gott für die Huld zu danken, die sie von ihm empfangen habe.
(Argens, Jean-Baptiste Boyer, Marquis d‘, 1748)
UNTERWELT / HÖLLE …
FEUER …
ORGIE …
ZAUBERTRANK …
OPFER / BLUT …
BLUT / WASSER / WELTUNTERGANG…
SCHLANGE …
Ooh
It’s so good, it’s so good
It’s so good, it’s so good
It’s so good
Ooh
Heaven knows, heaven knows
Heaven knows, heaven knows
Heaven knows
Ooh
I feel love, I feel love
I feel love, I feel love
I feel love
I feel love, I feel love, I feel love
Ooh
Fallin‘ free, fallin‘ free
Fallin‘ free, fallin‘ free
Fallin‘ free
Ooh
You and me, you and me
You and me, you and me
You and me
Ooh
I feel love, I feel love
I feel love, I feel love
I feel love
I feel love, I feel love, I feel love
Ooh
I’ll get you, I’ll get you
I’ll get you, I’ll get you
I’ll get you
Ooh
What you do, what you do
What you do, what you do
What you do
Ooh
I feel love, I feel love
I feel love, I feel love
I feel love
I feel love, I feel love, I feel love
(Donna Summer 1977 Writer(s): Giorgio Moroder, Pete Bellotte)
Rape me, my friend
Rape me
Rape me again
I’m not the only one
I’m not the only one
I’m not the only one
Do it, and do it again
Waste me
Rape me, my friend
I’m not the only one
I’m not the only one
I’m not the only one
I’ll kiss your open sores
Appreciate your concern
You’re gonna stink and burn
Rape me, my friend
Rape me
Rape me again
I’m not the only one
I’m not the only one
I’m not the only one
Rape me (Rape me)
Rape me (Rape me)
Rape me (Rape me)
Rape me (Rape me)
Rape me (Rape me)
Rape me (Rape me)
Rape me (Rape me)
Rape me
(Nirvana, Curt Cobain, 1993)
Oh oui, je t’aime
Moi non plus
Oh, mon amour
Comme la vague irrésolue
Je vais, je vais et je viens
Entre tes reins
Je vais et je viens
Entre tes reins
Et je me retiens
Oh oui, je t’aime
Moi non plus
Oh, mon amour
Tu es la vague, moi l’île nue
Tu vas, tu vas et tu viens
Entre mes reins
Tu vas et tu viens
Entre mes reins
Et je te rejoins
Oh oui, je t’aime
Moi non plus
Oh, mon amour
Comme la vague irrésolue
Je vais, je vais et je viens
Entre tes reins
Je vais et je viens
Entre tes reins
Et je me retiens
Entre mes reins
Tu vas et tu viens
Entre mes reins
Et je te rejoins
Je t’aime, je t’aime
Oh oui, je t’aime
Moi non plus
L’amour physique est sans issue
Je vais, je vais et je viens
Entre tes reins
Je vais et je viens
Je me retiens
Non, maintenant
Viens
((Jane Birkin/Serge Gainsbourg, 1969)
DREI GÖTTINEN, DREI MOIREN, DREI NORNEN, DREI FRAUEN …
MOND …
SCHICKSAL …
BAUM …
BERG / THRON /TEMPEL …
SHAKTI …
FORTSETZUNG FOLGT
DAS UNAUSSPRECHLICHE
DAS UNAUSSPRECHLICHE – DIE GNADENLOSE, MACHTVOLLE, WIDERSPRÜCHLICHE ERFAHRUNG DES LEBENS
Ich spreche nicht von den gewöhnlichen Menschen –
wie etwa jenen von denen ich höre, dass sie
kein Leid ertragen können
und immer nur in Freude leben wollen.
Zu solchen Menschen und zu dieser Lebensauffassung
passt was ich sagen will nicht.
Gottfried v. Straßburg, Tristan, Vers 50 -55
Für manche Menschen ist das UNAUSSPRECHLICHE, das UNSAGBARE so groß, daß es nicht ausgesprochen und nicht in Worte gefasst werden kann, darf oder soll. Oder eine Name, ein Wort ist so heilig, das es absolut nicht gesagt werden darf, da es ausgesprochen seine Macht, Magie und Kraft verlieren könnte. Manchmal ist die Macht eines Namens oder eines Wortes auch so stark, daß sie als bedrohlich empfunden wird. Namen oder Worte dürfen dann nicht genannt werden, da sie sich sonst tatsächlich manifestieren: „Du weisst schon wer.“ / „Der, dessen Name nicht genannt werden darf.“ / Voldemort. Einige halten Ihre Namen auch geheim, denn mit dem Namen kann ich Macht über diesen Menschen erhalten: Rumpelstilzchen
Odin, Hauptgott der nordischen Mythologie, wird selten bei seinem Namen genannt, es gibt weit über 45 Umschreibungen z.B.: Walvater / Hängegott / Gott der Last / Übelstifter …
Ebenso Zeus, Hauptgott der griechischen Mythologie, auch er ist unter verschiedenen Umschreibungen bekannt.
Beide Götter können beliebig ihre Gestalt wechseln.
Die ehrwürdige biblische Tradition der Heiligen Schrift, als Altes Testament bekannt, bezeugt eine ganze Reihe von göttlichen Anreden, unter anderem den heiligen Namen Gottes, der sich im Tetragramm JHWH ( יהוה ) offenbart. Insofern dieses Tetragramm die unendliche Größe und Majestät Gottes ausdrückt, wurde es als unaussprechlich angesehen und wurde daher beim Lesen der Heiligen Schrift durch eine alternative Anrede ersetzt: „Adonai“, was „Herr“ bedeutet.
(aus „Rundschreiben an die Bischofskonferenzen über den „Namen Gottes“ von 2009)
Das erinnert an die vielen Vermutungen um den »gesegneten Namen des Heiligen Einen von Israel«, die in alten Zeiten von Gelehrten, Priestern und Magiern angestellt wurden. Dies war ein Name, den nur der Hohepriester einmal im Jahr und mit tonloser Stimme aussprechen durfte, wenn er das Allerheiligste betrat, und der nicht in schriftlicher Form festgehalten werden durfte.
(aus Graves R., Die weisse Göttin, rororo 1988, S.340)
So glaubt jener, der seinen wirklichen Namen geheim hält, weil er fürchtet, das Zauberer ihn zu böswilligen Zwecken missbrauchen könnten, dass seine Götter ebenfalls ihre wahren Namen geheim halten müssen, damit nicht andere Götter oder selbst Menschen die geheimnisvollen Klänge lernten und mit deren Hilfe Zauber zu verüben imstande wären.
Denn man glaubte, wer den wahren Namen besäße, sei auch im Besitze des ganzen Wesens des Gottes oder Menschen, und könne selbst eine Gottheit zwingen, ihm zu gehorchen, wie ein Sklave seinem Herrn gehorcht. So bestand die Kunst des Magiers darin, von den Göttern eine Offenbarung ihrer heiligen Namen zu empfangen, und er ließ kein Mittel unversucht, sein Ziel zu erreichen.
So wird der Name des Königs stets geheim gehalten, damit dessen Kenntnis nicht irgend einem Böswilligen die Möglichkeit in die Hand gebe, Unheil anzurichten. Die Namen unter denen die verschiedenen Könige den Europäern bekannt wurden, waren bloße Titel oder „starke Namen“, gaben jedoch keinen Hinweis auf den „wahren Namen“.
Bei den Zulus will niemand den Namen des Häuptlings seines Stammes oder seiner Vorfahren nennen. Auch gewöhnliche Wörter, die mit den tabu erklärten Namen übereinstimmen oder ihnen klanglich gleichen, werden nicht ausgesprochen. Für diese Wörter müssen neue Wörter gefunden werden, so lange dieser König regiert.
Oft werden nicht nur die Königsnamen verschwiegen, sondern alle Namen der Brüder und Generationen davor, dass niemand Macht über sie erlangen könnte.
Im alten Griechenland durften die Namen der Priester und anderer Würdenträger bei den Eleusinischen Mysterien zu ihren Lebzeiten nicht ausgesprochen werden.
Sogar der wahre Name von Städten und Orten wurde geheim gehalten und durfte auch nicht in heiligen Riten ausgesprochen werden, sondern nur umschrieben.
(aus Frazer, J.G., Der goldene Zweig, Namen von Göttern, welche tabu sind, rororo, 1977, S. 374 ff)
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.
Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.
Könnten wir weisen den Weg
Es wäre kein ewiger Weg.
Könnten wir nennen den Namen,
Es wäre kein ewiger Name.
The tao that can be told
is not the eternal Tao.
The name that can be named
is not the eternal Name.
Was ohne Namen,
Ist Anfang von Himmel und Erde;
Was Namen hat,
ist Mutter den zehntausend Wesen.
The unnamable is the eternally real.
Naming is the origin
of all particular things.
Wahrlich:
Wer ewig ohne Begehren,
Wird das Geheimste schaun;
Wer ewig hat Begehren;
Erblickt nur seinen Saum.
Free from desire, you realize the mystery.
Caught in desire, you see only the manifestations.
Diese beiden sind eins und gleich.
Hervorgetreten, sind ihre Namen verschieden.
Ihre Vereinigung nennen wir mystisch.
Mystisch und abermals mystisch:
Die Pforte zu jedwedem Geheimnis.
Yet mystery and maifestations
arise from the same source.
This source is called darkness.
Darkness within darkness.
The gateway to all understanding.
(Deutsch von Günther Debon, Reclam, 2021)
(English by Stephen Mitchell, Harper Perennial, 1988)
Ist das UNAUSSPRECHLICHE, das UNSAGBARE so groß, daß es die LIEBE sein kann? Die Sexualität? Die Liebe in Verbindung mit Sex, als einer Macht die sowohl im Licht, als auch im Schatten zu Hause ist. Entstammt die Liebe und die Sexualität dem Schatten? Der Dunkelheit? Der Nacht? Oder dem Himmel?
Gott habe um sich herum eine gewisse Liebeskraft, von der einige behaupten, es sei ein intelligibler und feuriger Geist, der keine Gewalt besitzt, sondern sich wandeln kann, in was immer er will, und sich allem angleichen kann.
(aus: Mylius, zitiert in: Jung, Zur Psychologie westlicher und östlicher Religion, 1940, Abs.152)
Die Begegnung zwischen Mann und Frau findet statt in dem mystischen Ort der Liebe, ihre Vereinigung ist ein Spiel, das heißt frei von der kosmischen Schwere, reine Spontanität. Jede Verbindung von Gegensätzen bewirkt einen Niveaubruch und führt zur Wiederentdeckung der uranfänglichen “Spontanität”.
(aus: Eliade, 1960, Yoga, Unsterblichkeit und Freiheit. Rascher Zürich, S.275)
Erst dieser im Raum entstandene Bruch ermöglicht die Konstituierung der Welt, denn erst er schafft den “festen Punkt”, die Mittelachse, von der jede künftige Orientierung ausgeht die wir einer “Weltgründung” gleichsetzen dürfen. Die Heimat, die Landschaft der ersten Liebe, eine bestimmte Straße oder Ecke in der ersten fremden Stadt, die man in der Jugend besucht hat. Alle diese Orte behalten selbst für den völlig unreligiösen Menschen eine außergewöhnliche, “einzigartige” Bedeutung: sie sind die “heiligen Stätten seines privaten Universums, so als habe sich diesem unreligiösen Menschen eine Realität offenbart, die anderer Art ist, als die Realität seiner Alltagsexistenz.
(aus: Eliade, 1957, Das Heilige und das Profane, Vom Wesen des Religiösen. Insel Taschenbuch 2242, S.23ff)
You know that I would be a liar
If I was to say to you
Girl, we couldn’t get much higher
Come on, baby, light my fire
Come on, baby, light my fire
Try to set the night on fire
The time to hesitate is through
No time to wallow in the mire
Try now we can only lose
And our love become a funeral pyre
Come on, baby, light my fire
Come on, baby, light my fire
Try to set the night on fire, yeah
The time to hesitate is through
No time to wallow in the mire
Try now we can only lose
And our love become a funeral pyre
Come on, baby, light my fire
Come on, baby, light my fire
Try to set the night on fire, yeah
You know that it would be untrue
You know that I would be a liar
If I was to say to you
Girl, we couldn’t get much higher
Come on, baby, light my fire
Come on, baby, light my fire
Try to set the night on fire
Try to set the night on fire
Try to set the night on fire
Try to set the night on fire
Er macht die Pflastersteine nass, die Straßen glänzen glatt
Aus meinem Hausflur fällt ein gelber Fetzen Licht
Der holt mir aus der Dunkelheit ein blasses Kindsgesicht
Die ist kaum 13 Jahr
Und flieht schon in die Dämmerung
Und hat schon Nacht im Haar
Bataillon d’Amour
Ich geh vorbei, mich streift ein warmer Hauch der Lust
Und auf der nassen Haut der Straße, da berührn
Sich ihre Schatten lautlos und verführn
Wie in ein Labyrinth
Wir können uns nicht wehren
Wenn’s einfach nur beginnt
Bataillon d’Amour
Einmal wissen dies bleibt für immer
Ist nicht Rausch der schon die Nacht verklagt
Ist nicht Farbenschmelz noch Kerzenschimmer
Von dem Grau des Morgens längst verjagt
Einmal fassen tief im Blute fühlen
Dies ist mein und es ist nur durch dich
Klagt ein Vogel, ach auch mein Gefieder
Nässt der Regen flieg‘ ich durch die Welt
Flieg‘ ich durch die Welt
Flieg‘ ich durch die Welt
Flieg‘ ich durch die Welt
Das UNAUSSPRECHLICHE, eine unlogische, unberechenbare Kraft, aus der alles entsteht und in der alles wieder vergeht? Ist es Wildnis?
Wildnis ist ein Ort, wo das wilde Potential vollständig zum Ausdruck kommt, eine Vielgestaltigkeit an Lebewesen und Dingen, die ihrer eigenen Ordnung gehorchend gedeihen. Wenn ein Ökosystem vollständig funktioniert, werden alle Mitglieder der Versammlung gehört. Von Wildnis sprechen heißt von Ganzheit sprechen. Die Menschheit entstammt dieser umfassenden Ganzheit, und das Nachdenken über die Wiederbelebung dieser Mitgliedschaft in der Vollversammlung aller Lebewesen ist keineswegs regressiv.
Der Weg der Großen Natur: sich dem analytischen Denken entziehend, jenseits von Kategorien stehend, selbst – organisierend, sich selbst informierend und bildend, spielerisch, überraschend, nicht auf Dauer, nicht – substanzhaft, vollständig, geordnet, unvermittelt, sich frei manifestierend, sich selbst bestätigend, aus eigenem Willen handelnd, komplex und dabei ziemlich einfach. Leer und real zur gleichen Zeit. In einigen Fällen könnte man es heilig nennen.
(aus Snyder, G. Lektionen der Wildnis, Matthes & Seitz Berlin, 1990, S 17 ff)
Urgefühle — wenn ihr über mich kommt — ah jetzt seid ihr da!
Gebt mir jetzt nichts als Freuden der Wollust,
Gebt mir den Trank meiner Leidenschaften, gebt mir Leben üppig und rauh,
Heute und heute nacht schließ ich Gemeinschaft mit den Lieblingen der Natur,
Ich bin für die, die an lockere Freuden glauben, ich teile die Mitternachtsorgien junger Männer,
Ich tanze mit den Tänzern und trinke mit den Trinkern,
Das Echo schallt von unserm wüsten Geschrei, ich greife mir einen niedrigen Menschen heraus als liebsten Freund,
Er soll rechtlos sein und roh und ungebildet, er soll von den andern verdammt sein wegen Verbrechen, die er begangen,
Ich will nicht länger Komödie spielen, warum sollte ich mich ausschließen von meinen Gefährten?
O ihr Gemiedenen, ich meide euch nicht,
Ich komme sogleich in eure Mitte, ich will euer Dichter sein,
Ich will mehr für euch sein, als für alle andern.
Native moments—when you come upon me—ah you are here now,
Give me now libidinous joys only,
Give me the drench of my passions, give me life coarse and rank,
To-day I go consort with Nature’s darlings, to-night too,
I am for those who believe in loose delights, I share the midnight
orgies of young men,
I dance with the dancers and drink with the drinkers,
The echoes ring with our indecent calls, I pick out some low person
for my dearest friend,
He shall be lawless, rude, illiterate, he shall be one condemn’d by
others for deeds done,
I will play a part no longer, why should I exile myself from my companions?
O you shunn’d persons, I at least do not shun you,
I come forthwith in your midst, I will be your poet,
I will be more to you than to any of the rest.
(aus: Walt Withman, Grashalme / Leaves of Grass 1855)
Für manche ist das UNAUSSPRECHLICHE die Mutter Erde und für andere ein heiliger Geist als alles befruchtender Samen, der manchmal ewig bleibt. Es ist dies und es ist das. Ein nicht zu ertragender Widerspruch? Oh Gott, wenn es Dich gibt, warum duldest Du das?
Catherine Keller weist darauf hin, dass der Begriff „Allmacht“ in der Bibel gar nicht auftaucht. Es gibt einen Begriff „El Shaddai“, der in der hebräischen Schrift auftaucht, der immer so übersetzt wird als „der Allmächtige“. Eigentlich heißt es eher, „derjenige, der auf dem Berg ist“, also sozusagen von oben herabsieht. Die wirklich korrekte Übersetzung würde eigentlich lauten „die Bebrüstete“, was natürlich einen völlig anderen Kontext eröffnet. Ich stelle mir das vor: Die lebensspendende Milch fließt aus den Brüsten Gottes in die Welt hinein.
(vgl.: Immer im Werden/ Gott als Prozess!/ Autor/in: Friederike Weede /Sendedatum: Sonntag, 16. April 2023 / 08.30 – 09.00 Uhr /BR2, Evangelische Perspektiven)
Ein Oxymoron (Plural Oxymora; altgriechisch τὸ ὀξύμωρον, aus oxys ‚scharf(sinnig)‘ und moros ‚dumm‘) ist eine rhetorische Figur, bei der eine Formulierung aus zwei gegensätzlichen, einander widersprechenden oder sich gegenseitig ausschließenden Begriffen gebildet wird.
Häufig werden Oxymora in Form von Zwillingsformeln geprägt. Einzelne Wörter, Begriffe und selbst ein oder mehrere ganze Sätze können ein Oxymoron bilden. Das Stilmittel wird verwendet, um beispielsweise dramatische Steigerungseffekte zu erreichen oder kaum Auszudrückendes oder gar Unsagbares in ein Gegensatzpaar zu zwingen und dadurch zum Ausdruck zu bringen.
(aus: wikipedia, oxymoron)
Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne
er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr anderen spielt weiter zum Tanz auf
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen
Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus
Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith
(aus: Paul Celan, Der Sand aus Urnen, 1947)
Griehn, ich muß Sie um Entschuldigung bitten.
Ich konnte heute nacht nicht einschlafen, weil der Sturm so laut war.
Als ich hinaus sah, bemerkte ich, daß Sie schwankten
Wie ein besoffener Affe. Ich äußerte das.
Heute glänzt die gelbe Sonne in Ihren nackten Ästen.
Sie schütteln immer noch einige Zähren ab, Griehn.
Aber Sie wissen jetzt, was Sie wert sind.
Sie haben den bittersten Kampf Ihres Lebens gekämpft.
Es interessierten sich Geier für Sie.
Und ich weiß jetzt: einzig durch Ihre unerbittliche
Nachgiebigkeit stehen Sie heute morgen noch gerade.
Angesichts Ihres Erfolgs meine ich heute:
Es war wohl keine Kleinigkeit, so hoch heraufzukommen
Zwischen den Mietskasernen, so hoch herauf, Griehn, daß
Der Sturm so zu Ihnen kann wie heute nacht.
(aus: Brecht B., Hauspostille, Erste Lektion: Bittgänge)
Wenn irgend jemand ständigen Kummer erlitt
bei dauerndem Glück,
dann erlitt Tristan ständigen Kummer
bei dauerndem Glück.
Denn alles was er unternahm,
gelang ihm meistens gut,
wenn auch das Glück immer mit Leid vermischt war,
so wenig das eine dem anderen gleicht:
So waren die beiden Gegensätze,
dauerndes Glück und währendes Leid,
in einem Menschen vereint.
(aus: Straßburg, G.v., Tristan, 13. Jhd, Reclam 2017, Vers 4998 – 5084)
Menschen erscheinen gefangen zwischen zwei Polen, die Leid erzeugen in Ihrer Spannung. Gegensätze die einander bedingen? Sich vereinigen zum GANZEN UNAUSSPRECHLICHEN?
Es gibt keine Bewußtheit ohne die Unterscheidung von Gegensätzen. Das ist das Vaterprinzip des Logos, der sich in unendlichem Kampfe der Urwärme und der Urfinsternis des mütterlichen Schoßes, eben der Unbewußtheit, entwindet. Keinen Konflikt, kein Leiden, keine Sünde scheuend, strebt die göttliche Neugier nach der Geburt. Unbewußtheit ist die Ursünde, das Böse schlechthin für den Logos. Seine weltschöpfende Befreiungstat aber ist der Muttermord, und der Geist, der sich in alle Höhen und Tiefen wagte, muß auch die göttlichen Strafen erleiden, die Fesselung an den Felsen des Kaukasus. Denn keines kann sein ohne das andere, weil beide am Anfang eines waren und am Ende wiederum eines sein werden, wie alles Leben durch viele Tode hindurchgehen muß.
(aus: Jung, 1959, Abs.178, S.110 in Die psychologischen Aspekte des Mutterarchetypus)
Indem einer verschlingt, was ihm das Widerwärtigste ist, und sich von ihm verschlingen läßt, kann er in den Besitz einer Ganzheit gelangen, in der das Widerwärtigste samt allem wovor man floh, wonach man langte, sich auflöst. Diese Gegensätze alle bedürfen einander und verlangen danach, aneinander in der Ganzheit, die sie bilden wollen, zu verschwinden. Dieses Untertauchen im Anderen, vor dem einer immer Abscheu empfand und dass er doch als ihm zu eigen annehmen muß.
(aus: Zimmer, 1935, Indische Sphären, Rascher Zürich, S.191)
Auf welcher Ebene die Verbindung der Gegensätze auch geschieht, immer repräsentiert sie das Überschreiten der phänomenalen Welt und das Ende jeder Dualitätserfahrung. Die Einung von Sonne und Mond bedeutet die “Vernichtung des Kosmos” und damit die Rückkehr zur Ursprünglichen Einheit. Man muß “gegen den Strom” (ujana sadhana) gehen und die uranfängliche, unbewegliche Einheit wiederfinden, welche vor dem Bruch bestand.
(aus: Eliade, 1960, Yoga. Unsterblichkeit und Freiheit, Rascher Zürich, S.279)
Brich ab das Lernen, so bist Du sorgenfrei!
Stop thinking, and end your problems.
Sind denn »Jawohl!« und »Recht gern!«
Wirklich einander so fern?
Sind denn das Gute, die Schlechtigkeit
Wirklich einander so weit?
»Wem andere Menschen sich beugen,
Dem mußt auch du dich beugen«:
Welch Öde doch! Und kein Ende noch!
What difference between yes and no?
What difference between success and failure?
Must you value what others value,
avoid what others avoid?
How ridiculous!
Die Menschen alle sind ausgelassen,
Als säßen sie zechend beim Opferfest,
Als stiegen sie auf zu den Frühlingsterassen.
Ich allein liege noch still,
Kein Zeichen hab ich gegeben,
Gleich einem kleinen Kinde,
Das noch nie gelacht hat im Leben;
Bin schwankend, bin wankend,
Als hätt ich die Heimat verloren.
Other people are excited,
as though they were at a parade.
I alone don’t care,
I alone am expressionless,
like an infant before it can smile.
Die Menge der Menschen hat Überfluß;
Nur Ich bin gleichsam von allem entblößt.
Wahrlich, Ich habe das Herz eines Toren,
So dunkel und wirr!
Other people have what they need;
I alone possess nothing.
I alone drift about,
like someone without a home.
I am like an idiot, my mind is so empty.
Die gewöhnlichen Menschen sind hell und klar;
Nur Ich bin trübe verhangen.
Die gewöhnlichen Menschen sind strebig-straff;
Nur Ich bin bang-befangen.
Ruhelos gleich ich dem Meere;
Verweht, ach, bin gleichsam ich ohne Halt.
Other people are bright;
I alone am dark.
Other people are sharp;
I alone am dull.
Die Menschen mach sich nützlich all,
Nur Ich bin halsstarr, als ob ich ein Wildling wäre.
Nur Ich bin von den andern Menschen verschieden –
Der ich die nährende Mutter verehre.
Other people have purpose;
I alone don’t know.
I drift like a wave on the ocean,
I blow as aimless as the wind.
I am different from ordinary people.
I drink from the Great Mother’s breasts.
(Deutsch von Günther Debon, Reclam, 2021)
(English by Stephen Mitchell, Harper Perennial, 1988)
Ich leb, ich sterb: ich brenn und ich ertrinke,
ich dulde Glut und bin doch wie im Eise;
mein Leben übertreibt die harte Weise
und die verwöhnende und mischt das Linke
I live, I die: I burn myself, I drown.
I’m hot in the extreme while suffering cold.
Life is too soft for me, too hard to hold.
My joy and heavy ache are mixed in one
Mir mit dem Rechten, Tränen und Gelächter
Ganz im Vergnügen find ich Stellen Leides,
was ich besitz, geht hin und wird doch echter:
ich dörr in einem, und ich grüne, beides.
At once I laugh and smile, and weep and frown
In pleasure, my heart finds great pangs and grief.
The good flies off, yet stays without relief.
At once I blossom green, and wither brown.
So nimmt der Gott mich her und hin. Und wenn
ich manchmal mein‘, nun wird der Schmerz am größten,
fühl ich mich plötzlich ganz gestillt und leicht.
Thus does Love lead me on capriciously,
And when I think my lot is but more pain
With scarce a thought I find myself pain-free.
Und glaub ich dann, ein Dasein sei erreicht,
reißt es mich nieder aus dem schon Erlösten
in eine Trübsal, die ich wiederkenn.
Then when I think my joy a certainty
And fortune’s peak is finally my domain,
He casts me down to deep old grief again.
( Luise Labè., Sonnett VIII, 16. Jhdt., deutsche Fassung R.M. Rilke, englische Fassung: A.Z. Formemann )
Sein oder Nichtsein, dieses ist die Frage!
Ist`s edler, im Gemüt des Schicksals Wut
Und giftiges Geschoß zu dulden? Oder
Ein ganzes Heer von Qualen zu bekämpfen
Und kämpfend zu vergehen? – Vergehen? – Schlafen!
Mehr heißt es nicht. Ein süsser Schlummer ist`s
Der uns von tausend Herzensangst befreit,
Die dieses Fleisches Erbteil sind – Wie würdig
Des frommen Wunsches ist vergehen, schlafen!
To be, or not to be, that is the question:
Whether ‚tis nobler in the mind to suffer
The slings and arrows of outrageous fortune,
Or to take arms against a sea of troubles
And by opposing end them. To die—to sleep,
No more; and by a sleep to say we end
The heart-ache and the thousand natural shocks
That flesh is heir to: ‚tis a consummation
Devoutly to be wish’d. To die, to sleep;
Doch schlafen? – nicht auch träumen? Ach, hier liegt
Der Knoten! Träume die im Todesschlaf
Uns schrecken, wenn einst dies Fleisch verwest,
Sind furchtbar! Diese lehren uns geduldig
Des langen Lebens schweres Joch ertragen.
To sleep, perchance to dream—ay, there’s the rub:
For in that sleep of death what dreams may come,
When we have shuffled off this mortal coil,
Must give us pause—there’s the respect
That makes calamity of so long life.
Wer litte sonst des Glückes Schmach und Geißel,
Der stolzen Übermut, die Tyrannei
Der Mächtigen, die Qual verschmähter Liebe?
Den Mißbrauch der Gesetze, jedes Schalks
Verspottung der Verdienste, mit Geduld?
Könnt`uns ein bloßer Dolch die Ruhe schenken,
Wo ist der Tor, der unter dieser Bürde
Des Lebens länger seufzte.
For who would bear the whips and scorns of time,
Th’oppressor’s wrong, the proud man’s contumely,
The pangs of dispriz’d love, the law’s delay,
The insolence of office, and the spurns
That patient merit of th’unworthy takes,
When he himself might his quietus make
With a bare bodkin? Who would fardels bear,
To grunt and sweat under a weary life,
Allein
Die Furcht vor dem, was nach dem Tode folgt,
Das Land, von da kein Reisender zurück
Auf Erden kann, entwaffnen unsern Mut.
Wir leiden lieber hier bewußte Qual,
Eh wir zu jener Ungewissheit fliehn.-
So macht uns alle das Gewissen feige.
Die Überlegung kränkt mit bleicher Farbe
Das Angesicht des feurigsten Entschlusses.
Dies unterbricht die größte Unternehmung
In ihrem Lauf, und jede wicht`ge Tat
Erstirbt.
But that the dread of something after death,
The undiscovere’d country, from whose bourn
No traveller returns, puzzles the will,
And makes us rather bear those ills we have
Than fly to others that we know not of?
Thus conscience doth make cowards of us all,
And thus the native hue of resolution
Is sicklied o’er with the pale cast of thought,
And enterprises of great pith and moment
With this regard their currents turn awry
And lose the name of action.
(aus: Shakespreare, Hamlet, 1600, übersetzt von Moses Mendelssohn, Berlin, 1757, zitiert in: Herrr Moses in Berlin, H.Knobloch, Buchverlag der Morgen, 1985)
In uns ist die Anlage zu allem: wir wollen hören und gehorchen, folgen und uns leiten lassen, dienen und uns abdanken; aber wir wollen auch aufschwellen und gebieten, herrschen und Blitze schleudern; wir wollen in Gemeinschaft aufgehen und einsam sein, keines anderen bedürftig. Alles Grauen schläft in uns und alle Untat, aber auch alle Möglichkeiten der Läuterung und Verklärung. Ein unaufhaltsam schnelles Nacheinander wie ein Rasen zuckender Blitze, ja ein ewiges Zugleich aller dieser widersprechenden Möglichkeiten wäre die totale, ideale Erfüllung des in uns angelegten Wesens: – und es würde uns selbst zerreißen und unsere Welt, wenn es so aus unserem Innersten hervorbräche, über uns hinaus strömte in die Wirklichkeit.
Heinrich Zimmer, 1935, Indische Sphären S.160